Brandenburger Dom trifft auf moderne Kunst

Der Künstler Jacopo Dal Bello war drei Monate im Rahmen des "Artist-in-Residence" Programms im Brandenburger Dom St. Peter und Paul und arbeitete mit Schülerinnen und Schülern des Domgymnasiums.

Künstler Jacopo Dal Bello in Brandenburg

Künstler Jacopo Dal Bello in Brandenburg

von Marie Bammel

Grabsteininschriften, Archiv-Auszüge und Kritik an den sozialen Medien. Das alles wird ab dem 21. September in der Ausstellung des Brandenburger Doms St. Peter und Paul zu sehen sein. Alle zwei Jahre vergibt der Dom ein Stipendium an einen Künstler oder eine Künstlerin. Der Italiener Jacopo Dal Bello ist der vierte „Künstler am Dom“ und wohnt im Rahmen des Artist-in-Residence-Programms für drei Monate in Brandenburg, um dort an seiner Kunst zu arbeiten.

Kunstklasse des Domgymnasiums beim Projekt dabei

Die Ausstellung entsteht zusammen mit einer Kunstklasse des evangelischen Domgymnasiums. Jacopo Dal Bello (geb. 1989) malt mit Acrylfarbe, zeichnet, baut Skulpturen und fügt digital designte Elemente in seine Kunst ein. In seinen neuen Werken setzt er sich damit auseinander, warum und wie sich Medien entwickeln. „Ich war interessiert zu sehen, wie sich die Wahrnehmung des Doms durch die Digitalisierung verändert“, sagt der Künstler. Dafür nutzt er Fragmente aus dem Archiv des Doms, dem Internet und der Webseite des Doms. Das Erste, was man im Internet über den Dom findet, sind Rezensionen. „Ich will diesen Weg zeigen“, sagt Jacopo zur modernen Datenerfassung, „denn es involviert eine Menge Triviales.“

Eines von seinen Kunstwerken ist ein kompletter Ausdruck der Inhalte, die auf der Webseite des Doms zu finden sind. Diesen hat er mit transparenter Folie in eine Blockform gebracht, wodurch man alle Informationen gleichzeitig sehen kann. „Es ist ein eingefrorenes Dokument dieser Zeit, dieses Tages.“ Er versucht aufzuzeigen, welche Kontraste es gibt zwischen dem heutigen und früheren Umgang mit historischen Fakten und Geschichtsschreibung.

Jacopo: „Ich bin nicht religiös“

In Kontakt mit dem Programm „Künstler am Dom“ kam Jacopo durch die im tätige Kuratorin Katja Blomberg. „Ich bin nicht religiös, was mich am meisten interessiert, ist die Geschichte dieses Ortes“, nennt er als Grund für sein Interesse am Stipendium. Seit 2 Monaten lebt er nun in Brandenburg. Um seine Schulter ist eine Bauchtasche geschlungen und er trägt zwei silberne Ohrringe.

Der Künstler schmunzelt, wenn er über seinen derzeitigen Wohnort in der Domstadt spricht: „I like Vibe … It’s chill.“ (Ich mag die Atmosphäre. Es ist entspannt.). Er selbst wuchs in Italien, in der Nähe von Venedig, auf. Zugang zur Kunst fand er durch Musik. Später studierte er in London und nun an der Universität der Künste in Berlin, um seinen Masterabschluss zu machen. In Italien gebe es weniger Interesse an moderner Kunst, erzählt er: „Es geht immer um die Vergangenheit, darauf sind wir stolz. Lasst uns dieselben Ausstellungen immer wieder machen … für immer!“ Er wirkt frustriert: „It’s stuck in the past“ – stecken geblieben in der Vergangenheit.

Schülerinnen und Schüler sind inspiriert von Jacopos Kunst

Und trotzdem widmet Jacopo sich hier in Brandenburg so sorgfältig der Vergangenheit des Doms. In seinen Werken erscheinen die Domfragmente entrückt, der Vergangenheit entnommen. Festgehalten auf bunten Hintergründen zeigen die Bilder den so eindrücklichen Kontrast zwischen dem alten, historischen Gebäude und der bunten, lauten, digitalen Welt, in der wir heute leben.

Dom Sankt Peter und Paul in Brandenburg
Der Dom Sankt Peter und Paul zu Brandenburg an der HavelDomstift

Unter der Leitung von Kunstlehrerin Ingeborg Lockemann arbeiten auch Schüler*innen zweimal die Woche an ihren Gemälden für die gemeinsame Ausstellung mit Jacopo. Josefine findet es spannend, einen Künstler im Unterricht zu haben, denn Jacopo besucht den Kurs jeden Dienstag im Domgymnasium: „Dadurch wird ein Kunstkurs lebendiger. Man kann viel von der Lehrkraft lernen, aber dass man wirklich jemanden hier hat, der von seiner Kunst erzählt und diese zeigt – dadurch lernt man Kunst nochmal ganz anders kennen.“

Jacopo läuft zwischen den Tischen umher, gibt Tipps und Feedback. Am Anfang des Schuljahres stellte er einige seiner Kunstwerke vor, in denen digitale Aspekte sowie Malerei und Zeichnungen miteinander verschmelzen. Die Schüler*innen sollen festhalten, wie sich Kunst durch das Internet verändert hat. Jacopos Bilder können dabei als Inspiration dienen.

Kunstwerke spiegeln Kritik an sozialen Medien

Mit vielen von seinen Kunstwerken übt er Kritik am Einfluss der sozialen Medien. Auf einem Bild rast ein TikTok-Komet auf die Erde zu, ein anderes soll den toxischen Umgang mit Körperbildern im Internet aufzeigen. Das „Artist in Residence“-Programm, das von der Kulturstiftung St. Matthäus und dem Domstift konzipiert wurde, kennen die meisten Schülerinnen und Schüler nicht. Viele von ihnen haben keinen Kontakt mit Kirche und Glauben.

Dom zu Brandenburg Burghof
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Sie freuen sich aber, dass sie mit ihren Bildern Menschen erreichen, die sich sonst nicht mit diesen Themen auseinandersetzen. „Manche Leute werden es verstehen, manche Leute lassen sich nicht darauf ein“, sagt Constantin, der mit seinen Freunden in der letzten Reihe sitzt: „Und da ich die Leute nicht kenne, ist es mir relativ egal. Aber eigentlich gut, dass sie sich das angucken.“ Noah ist auch in dem Kunstkurs und arbeitet konzentriert am iPad. „Ich finde es gut, dass die Werke schwer zu interpretieren sind, denn so muss man sich richtig mit dem Kunstwerk beschäftigen“, meint er über Jacopo Dal Bellos Kunst.

Werke werden ausgestellt

Auch die Bilder der Schülerinnen und Schüler sind nicht alle leicht zu verstehen, ein Grund mehr, sich die abgeschlossenen Arbeiten in der Ausstellung anzusehen. Von den Schülerinnen und Schülern und ihrer Kreativität war Jacopo überrascht. „Es ist gut, dass sie die Technik, mit der sie aufgewachsen sind, aus einem kritischen Blickwinkel betrachten.“ Er hat vorher noch nie mit Jugendlichen gearbeitet, aber genießt es, den Prozess zu sehen.

Info: Die Ausstellung „Zeitfenster Der Dom in der digitalen Gegenwart“ wird am Donnerstag, 21. September um 18 Uhr eröffnet.

Marie Bammel ist Praktikantin bei evangelische-zeitung.de 

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