Deutsche Einheit vom Taunus an den Müggelsee

Bronzeplastik Harmonie auf der Freundschaftsinsel Potsdam
Foto: IMAGO / Martin Müller
Mit den Begriffen „Wessi“ und „Ossi“ kann ich nicht wirklich viel anfangen, schwingt in ihnen doch immer ein wenig Herablassung und Vorurteil mit. Lieber ist mir die, wenn auch etwas sozialwissenschaftliche und schwerfällig klingende, Begrifflichkeit der westdeutschen beziehungsweise ostdeutschen Sozialisation.
Ich bin im reichen Hochtaunuskreis aufgewachsen. Als die Mauer fiel, war ich elf Jahre alt. Meine bundesdeutsche Wirklichkeit waren wohlhabende Freunde mit Swimmingpools im Haus, die in den Ferien Clubreisen in den Süden machten.
Der Osten spielte keine Rolle im Taunuskreis
Der Osten Deutschlands hat in meinem Leben lange keine Rolle gespielt. Weder war ich als Jugendliche „drüben“ noch hatte ich Freunde, die von dort kamen. Erst meine Magisterarbeit über den ostdeutschen Erzähler Volker Braun und mein Umzug nach Berlin vor 15 Jahren änderten das. Zum ersten Mal bereiste ich ein paar Städte, las ostdeutsche Literatur und lernte Menschen kennen, die eben aus Sachsen, Thüringen oder Brandenburg stammten. Für uns spielte es nie eine Rolle, woher wir ursprünglich kamen.
Die Ostdeutschen meiner Generation hatten zwar Chancen, die ihre Eltern nie hatten, und doch gab und gibt es viel Unausgesprochenes, viel Enttäuschung, die wir aus dem Westen nicht kennen. Ich bin heute mit einem Ostberliner zusammen und habe eine kleine Familie.
Ich fühle mich im Osten zu Hause
Als wir uns kennenlernten, meinte er mal scherzhaft: „Jetzt hab ick mir schon ‚ne Westussi geangelt und die hat nicht mal Kohle.“ Auf meinem Spotify-Account gibt es eine Playlist „Ostmugge“ und ich fahre wie jede gute Ostdeutsche mindestens einmal im Jahr an die Ostsee. Wenn ich mit meinem Partner in den Westteil der Stadt fahre, dann merke ich, wie er fast schon befreit durchatmet, wenn wir die ehemalige Grenzlinie zurück in den Ostteil der Stadt überfahren.
Ich spüre, dass da bei vielen eine Sehnsucht ist, nach einer Heimat, die es so nicht mehr gibt. Mittlerweile lebe ich in einem Ostbezirk, nah an Brandenburg, wo noch viele Ostdeutsche wohnen. Ich fühle mich im Osten zu Hause und spüre selbst manchmal die Sehnsucht nach einem Leben, einer Zeit, die ich gar nicht kenne. In meiner Vorstellung eine solidarischere Zeit. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Ostdeutsche liebevoller sind. Eine gute Freundin hat mir mal gesagt: „Karo, du wärst ein guter Ossi gewesen.“ Manchmal hört sich das Wort „Ossi“ dann nicht so schlimm an.