Museum

Die Diktatur begreifen, Demokratie gestalten

DDR-Museum ist Lehrstunde für Geschichte und Politik

von Susanne Lohse (epd)

Das DDR-Museum in Pforzheim zeigt das Leben in einer Diktatur. Rund 6.000 Objekte, Erklärtafeln und interaktive Quizspiele laden ein, sich mit der jüngeren Geschichte auseinanderzusetzen.

Pforzheim (epd). Ein original Grenzpfosten, ein blinkendes Ampelmännchen, ein wandgroßes Bild einer Montagsdemonstration mit der Überschrift «Wir sind das Volk»: So empfängt das DDR-Museum Pforzheim seine Besucher. Die «Zeitleiste Demokratie» von 1848 bis 2001 an der Wand gegenüber macht klar: Im einzigen DDR-Museum in Westdeutschland geht es um Politik.

   «Was bedeutet es, in einer Diktatur zu leben?», erklärt Birgit Kipfer den Anspruch des Museums. Die Vorsitzende der 2012 gegründeten Stiftung «Lernort Demokratie – Das DDR-Museum Pforzheim» führt regelmäßig Schulklassen und andere Gruppen durch die Ausstellung. «Man muss jungen Leute klarmachen, was sie haben. Demokratie ist kein Naturgesetz», sagt Kipfer.

   Gegründet wurde das DDR-Museum Pforzheim in dem ehemaligen Kasernengebäude französischer Streitkräfte 1998 von Klaus Knabe (1937-2012). Der DDR-Bürger aus christlichem Elternhaus war 1961 von Dresden nach Pforzheim geflüchtet. Zeitlebens sammelte er Gegenstände aus der DDR. Auf drei Ebenen findet man neben den typischen Ostobjekten wie dem Sandmännchen und dem Trabi auch Gläser mit «Geruchsproben». Sie dienten – mithilfe von Hunden – zur Entlarvung Oppositioneller. Im Hof steht ein Teilstück der Mauer, die 28 Jahre lang Ost- von Westdeutschland trennte und mitten durch Berlin ging. In Vitrinen erinnern Tagebücher und nie geöffnete Pakete an den Alltag in der DDR.

   Auf den ersten Blick undefinierbare Papierklumpen entpuppen sich als geschredderte, in Wasser eingeweichte Stasi-Akten. Der Überwachungsstaat wollte die Zeugnisse der Bespitzelung durch die Staatssicherheit vernichten. Im Untergeschoss befindet sich eine originale Untersuchungshaftzelle mit Holzpritschen und Gefängnistoilette. Eine Sammlung verschiedener Gefängnistüren und ein Verhörraum ergänzen das martialische Bild von der DDR.

   Um ins Visier des Staates zu geraten, reichte es aus, beruflichen Erfolg zu haben. Weil der Dachdeckerbetrieb ihres Vaters florierte, musste die heutige Pforzheimer Gemeinderätin (SPD) Jaqueline Roos als Achtjährige mit ihren Eltern in den Westen ausreisen. Dem politisch missliebigen Vater wurde mit Gefängnis, dem Kind mit Kinderheim gedroht. Die Familie wurde genötigt, einen Ausreiseantrag zu stellen. «Binnen Stunden hieß es: Koffer packen und das Land verlassen.» Die 56-Jährige erinnert sich, wie sie ihr Spielzeug in die Mülltonne warf. Der väterliche Betrieb und das Auto seien zum symbolischen Preis von einer Mark verkauft worden. «Mit einem Koffer, einer Schultasche und einem Teddy unter dem Arm bin ich ausgereist.»

   Das DDR-Museum Pforzheim finanziert sich aus Stiftungsgeldern, Spenden und Zuwendungen. Die Stadt Pforzheim trägt die Miet-, Neben- und Unterhaltungskosten des Gebäudes. Sie fördert den Museumsverein «Gegen das Vergessen». Jährlich kommen 3.500 bis 4.000 Besucher in das Museum. Davon sind rund 1.500 Schülerinnen und Schüler, meist ab der 7. Klasse.

   Die Schüler erfahren in dem DDR-Museum viel über Weltgeschichte, deutsche und regionale Geschichte. Sie erfahren, was es bedeutete, jung zu sein, ohne rebellieren zu können. Sie lernen, welche Rolle die Kirche als Organisatorin von Friedensgebeten und Kirchentagen gegen Militär und Wehrdienst spielte.

   Es sind Geschichten wie die von Jaqueline Roos, die das Leben in der DDR greifbar machen. Es sind Bilder wie die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Zeit der DDR, die Historie und aktuelle Politik verbinden. Sie mahnen: Demokratie ist ein Gut, das gehegt und gepflegt werden muss.

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